
Stefan Kapferer: Die Energiewende wird immer stärker zur unternehmerischen Herausforderung. (Bildquelle: 50Hertz/Jan Pauls)
Seit Ende 2019 führt Stefan Kapferer den Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission und bringt seine Erfahrungen aus früheren Tätigkeiten – zuletzt beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) – ein. Damit hat sich seine Perspektive auf die Energiewende verändert. Im Gespräch erläutert er, wie sich die aktuellen politischen Weichenstellungen auf die Unternehmensstrategie auswirken werden. Das vollständige Interview ist in der Zeitschrift EW – Magazin für die Energiewirtschaft, Ausgabe 2/2020 erschienen und hier auch online abrufbar.
Kapferer betont, dass die Energiewende nun immer stärker zu einer unternehmerischen Herausforderung werde. Im Unternehmen seien die Auswirkungen der Energiepolitik konkret in ihren betriebswirtschaftlichen Konsequenzen spürbar. Er hat sich zum Ziel gesetzt, kosteneffiziente Lösungen für ein bestimmtes politisches Ziel zu finden und so die Interessen des Unternehmens und der Gesellschaft zu verbinden.
Ausstieg aus der Kohleverstromung veRändert die Erzeugungszentren
Derzeit stellt sich mit dem beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung für 50Hertz die zentrale Frage, wie sich der Großkraftwerkspark im Netzgebiet entwickelt. Kapferer geht davon aus, dass gemäß den Empfehlungen der Kohlekommission erste Maßnahmen für das Lausitzer Revier für Mitte der 20er Jahre und für das Mitteldeutsche Revier noch später vorgesehen sind. Wichtig sei nun eine Diskussion über sichere Ersatzkapazitäten.
Wasserstoffstrategie hat Auswirkungen auf den Netzbedarf
In Bezug auf die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung hofft Kapferer, dass dies die infrastrukturelle Sektorkopplung einen Schritt weiterbringt. Dabei stelle sich die Fragen, ob die Bundesregierung in Zukunft die Dekarbonisierung von industriellen Prozessen über Wasserstoff herstellen will oder die erneuerbar erzeugten Strommengen direkt dorthin transportiert werden sollen. Wenn Elektrolyseure an der Küste stehen und mit den Windparks verbunden werden, sei eine andere Netzstruktur notwendig als bei überwiegendem Wasserstoffimport aus dem Ausland.
Verknüpfung zwischen Strom- und Gasnetz braucht Vorbereitungszeit
Bisher seien in einem Szenario des Netzentwicklungsplan der Bundesnetzagentur von 2019 nur Power-to-Gas-Anlagen von 2 GW berücksichtigt. Eine größere Bedeutung von Wasserstoff müsse noch mit der Bundesnetzagentur diskutiert werden, um die Leitungssituation und Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen Strom- und Gasnetz daraufhin weiter entwickeln zu können. Die eigentliche Herausforderung einer stärkeren Nutzung von Wasserstoff seien aber die anstehenden Investitionen in die Gasnetze, um diese auf einen reinen Wasserstofftransport vorzubereiten.
Neue Technologien ermöglichen höhere Netzausaulastung
Für den Stromnetzbetreiber steht hingegen die Integration der erneuerbaren Energien weiterhin im Vordergrund. Systemstabilität und Systemsicherheit seien auch weiterhin eine Herausforderung, so Kapferer. Um die Strommengen integrieren zu können, arbeite 50Hertz daran, die Auslastung des Bestandsnetzes durch neue Technologien weiter zu erhöhen.
Ausbauprojekte bleiben zentrale Aufgabe
Auch der Ausbau des Übertragungsnetz gehört zu den zentralen Aufgaben. Für die Trasse des Berliner Nordrings liege die Genehmigung vor und es sei mit dem Bau begonnen worden. Allerdings habe die Gemeinde Birkenwerder dagegen geklagt. Der östliche Teil der Leitung sei bereits im Probetrieb. Das große Gleichstromprojekt an Land, der SuedOstLink von Sachsen-Anhalt nach Bayern, liege im Plan: Für diese Nord-Süd-Verbindung stehe der Vorzugskorridor von 1000 Metern für den Bereich Thüringen und Sachsen fest und die Planung für den 50 bis 60 m breiten Korridor für die Verlegung der Kabel habe begonnen.
In der Ostsee will 50Hertz 2020 ein binationales Projekt ans Netz bringen, das zwei Strommärkte verbindet. Über die sogenannte Combined Grid Solution auf See würden die Windparks Baltic 2 und Kriegers Flak mit dem deutschen und dänischen Stromnetz verbunden. Kriegers Flak laufe derzeit in der Testphase.
E-Magazin: EW 02/2020
Bildquelle: 50Hertz/Jan Pauls