Bürger müssen ihre Rolle in der Energiewende finden

Angela Wilkinson sieht die Bürger als wichtigen Akteur in der Energiewende.

Angela Wilkinson Generalsekretärin und CEO, World Energy Council (WEC) engagiert sich für eine „Humanising Energy Vision“. Bildquelle: WEC

Rezept Energiewende:
Man nehme neue Technologien, Investitionskapital und den passenden regulatorischen Rahmen? 
Ein zentraler Akteur im Transformationsprozess wird oft vergessen. Die Bürger müssen ihre Rolle in der Energiewende finden, sagt Angela Wilkinson, Generalsekretärin und CEO des World Energy Council, London, (WEC) im Interview mit der Zeitschrift ET – Energiewirtschaftliche Tagesfragen.

 

 

„Die Energiekrise ist der erste globale Nachfrageschock. Die Konsumenten haben sich gegen eine Abhängigkeit von russischem Gas entschieden.“

Nach Einschätzung von Wilkinson erleben wir 2022 etwas Neues in der Wirtschaftsgeschichte – den ersten globalen Nachfrageschock: Die Konsumenten haben entschieden, nicht mehr von russischem Gas abhängig sein zu wollen. Das hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Für Deutschland sieht Wilkinson mehrere Möglichkeiten, kurzfristig die Krise zu meistern. Dazu gehört die Nutzung der Kernenergie, der Bau vonTerminals für Flüssiggas (LNG) und der Ausbau der erneuerbaren Energien.

Mittelfristig ist die Energiezukunft mehrspurig, erläutert Wilkinson: Als Partner der Erneuerbaren werde Wasserstoff, Gas, CCS und flexible Speicher gleichermaßen benötigt. In der aktuellen Krise werde deutlich, dass in den letzten 20 Jahren wurde zu wenig in das Energiesystem investiert wurde. Es gebe ausreichend Öl, Gas, Wind, Sonne, Wasser. Aber es fehle an Technologien und einem System, das alles miteinander verbinde.

Das Grundproblem sei allerdings, dass viele Menschen nicht verstehen, worin der Nutzen der Energiewende für sie persönlich besteht. Sie sehen vor allem die Unternehmensprofite, beobachtet Wilkinson. Aber Energiewende sei nicht allein eine Technologiegeschichte, in der die gleichen Unternehmen anstelle von fossilen Brennstoffen künftig erneuerbare Energien oder Wasserstoff liefern.

„Energiewende funktioniert in kleinen Schritten. Dazu müssen Regierungen, Kommunen, Unternehmen und Bürger an einen Tisch.“

Im Transformationsprozess geht es vor allem um gesellschaftliche Veränderungen, betont Wilkinson. Menschen möchten eine bessere Zukunft. Dazu gehört eine saubere, unabhängige Energiewirtschaft und die gemeinschaftliche Teilhabe. „Wir müssen jetzt in lokale Energiegemeinschaften investieren, die die Arbeitsplätze schaffen und Fähigkeiten entwickeln“, fordert Wilkinson. „Solche Projekte brauchen zehn bis 15 Jahre bis sie wirksam werden“.

Dabei geht es nicht um Geld: „Geld ist eine Illusion. Der Weg zu einer neuen Energiegesellschaft führt nicht über Technologie und Geld sondern über Bürgerbeteiligung“, macht Wilkinson deutlich. In der Realität gebe es vor allem drei Knappheiten: Zeit, CO2 und Vertrauen. Zeit ist auch der limitierende Faktor für Humankapital. Vertrauen hat einen Effekt auf die Liquidität von Kapital.

Die Krise habe die Grundlagen der Nachhaltigkeit deutlich gemacht: Energie, Wasser und Nahrungsmittel seien bisher für viele selbstverständlich verfügbar gewesen. Nun interessierten sich die Menschen dafür, wo die Ressourcen herkommen.

„Hoffnung ist kein Lottoschein, mit dem man auf dem Sofa sitzt. Hoffnung gibt die Richtung des Handelns vor. Wir müssen gemeinsam an der Transformation arbeiten und eine neue Form der Verbindung untereinander finden.“

Wenn die Energiewende transparenter wird, werden mehr Menschen ihre Rolle verstehen und ihr Verhalten ändern. Das ist etwas anderes, als über die Reduktion von Emissionen, den Zubau von Anlagen oder die Höhe der Investitionen zu diskutieren. Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten: So kann beispielweise eine App darüber informieren, wie Kaufentscheidungen die Dekarbonisierung beeinflussen. „Menschen wollen wissen, ob die Maßnahmen fair sind, schnell und weit genug gehen“ sagt Wilkinson.

Das vollständige Interview ist in ET 11/2022 erschienen und online über www.energie.de  abrufbar.

Bildquelle: WEC

www.weltenergierat.de

www.worldenergy.org

Energiebeschaffung 2022: Auch für Stadtwerke sind Strom und Gas teuer geworden

Energiehandel im Trading Floor von Trianel

Energie ist teuer geworden. Das spüren die Verbraucher ebenso wie ihre Lieferanten.  Nach einer Branchenumfrage kaufen Stadtwerke Strom und Gas nun kurzfristiger und mit höheren Preisrisiken ein. Die Mehrzahl der Befragten erwartet auch mittelfristig ein hohes Preisniveau und stärkere Preisschwankungen an den Großhandelsmärkten. Eine ausführliche Darstellung der Umfrage, die durch das Handelshaus und Beratungsunternehmen Trianel durchgeführt wurde, ist im Sonderheft EW Spezial Stadtwerke erschienen. 

In der Vergangenheit war es bei Stadtwerken üblich, Energie mit einem mehrjährigen Vorlauf einzukaufen und dann kurzfristig an den aktuellen Bedarf anzupassen.  Dies ermöglichte preisgünstige Konditionen und Verlässlichkeit. Im Jahr 2022 hat sich der Großhandelsmarkt für Strom und Gas deutlich verändert.

Die historisch hohen Preisniveaus und sowie die Unsicherheiten in Folge des Ukraine-Kriegs stellen nun die Beschaffungsstrategien auf die Probe. 97 Prozent der Stadtwerke schätzen ihren Handlungsdruck in der Beschaffung als hoch bis sehr hoch ein, so ein Ergebnis der Umfrage.

Paul Jüngst, Leiter Trendscouting, Trianel. Bildquelle: Trianel

Im Fokus der Erhebung aus dem Juni 2022  standen die Erfahrungen von 132 Experten aus 59 Stadtwerken zur Markt- und Preisentwicklung, zum Marktzugang, zur Beschaffung sowie zum Umgang mit Risiken. Befragt wurde eine heterogene Gruppe kleinerer, mittlerer und größerer Unternehmen aus ganz Deutschland, berichtet Paul Jüngst, Leiter Trendscouting bei Trianel.

Die Preise sind 2022 gestiegen und das Angebot für längerfristige Produkte ist zurückgegangen. Rund 80 Prozent der Befragten erwarten mittelfristig ein hohes und sogar steigendes Preisniveau. 73 Prozent gehen davon aus, dass dieser Trend auch langfristig anhält und 61 Prozent rechnen mit einer starken Volatilität der Preise. Zudem berichteten die Befragten, dass an den Terminmärkten weniger angeboten werde.

Die aktuelle Entwicklung am Großhandelsmarkt wirkt sich inzwischen auch auf die Verträge mit den Verbrauchern aus. „Bereits im Mai und Juni 2022 waren die sichtbaren und erwartbaren Veränderungen so deutlich, dass 83 Prozent der befragten Unternehmen ihre Strom- und Gastarife gegenüber ihren Kunden angepasst haben“, erläutert Jüngst.

Jan Drößler, Leiter Risikomanagement, Trianel. Bildquelle: Trianel

„Stadtwerke erkennen zunehmend, dass sie ihren Instrumentenkasten bei der Beschaffung und beim Risikomanagement erweitern müssen,“ erläutert Jan Drößler, Leiter Risikomanagement Dienstleistungen bei Trianel. Viele Stadtwerke hätten ihre Beschaffungsstrategien verändert. Die für zwei bis drei Jahre auf Termin beschafften Mengen werden mit unterjährigen Produkten optimiert. „Eine Optimierung über Quartals- und Monatsprodukte ist komplexer, aber ein guter Ansatz, die Risiken zu verringern“ analysiert Drößler. Eine Kombination von verschiedenen Instrumenten zur Risikosteuerung sei  wichtig. Dazu zählten die Festlegung von Preislimits und Mengenkorridoren.

Anpassungsbedarf sieht Drößler auch bei der aktiven Überwachung des Kreditrisikos in der Energiebeschaffung. Dieses besteht darin, dass Vertragspartner ihren Liefer- oder Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten und sich neben dem Forderungsausfall die Marktpreise für die Ersatzbeschaffung oder den Wiederverkauf nachteilig entwickeln.

Bei der Befragung wurde nicht systematisch nach Commodities unterschieden. Die Experten gehen davon aus, dass sich Strom- und Gasmarkt ähnlich entwickeln. Insbesondere durch die Nutzung von Gas zur Stromerzeugung gebe es eine enge Korrelation zwischen den Märkten. Gaskraftwerke werden zum Ausgleich der fluktuierenden erneuerbaren Energien eingesetzt.

http://www.trianel.com

Der vollständige Beitrag ist in EW Special 1/2022 Stadtwerke erschienen.

Bilder und Grafiken: Trianel