Seit neun Jahren untersucht der Weltenergierat, mit welchen Energiethemen sich die Entscheider in der ganzen Welt bei Tag und Nacht beschäftigen. Die jüngsten Ergebnisse zeigen, dass die Risiken von Digitalisierung und Geopolitik heute stärker im Bewusstsein sind als in der Vergangenheit. Im Gespräch mit der Zeitschrift ew – Magazin für die Energiewirtschaft erläutert Dr. Christoph Frei, Generalsekretär des World Energy Council (WEC) in London die Hintergründe.
Der Issues Monitor mißt jährlich die Dimensionen Dringlichkeit und die Unsicherheit in Bezug auf ein Thema. Die jüngsten Ergebnisse zeigen, dass Digitalisierung und Dekarbonisierung als Treiber des Transformationsprozesses den Befragten weltweit sehr präsent sind. Dazu gehören auch die Themen Speicher, Marktdesign, Digitalisierung sowie die Integration der fluktuierenden Stromerzeugung, berichtet Frei. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung und die richtige Strategie sei in diesem Bereich sehr hoch. Neu hinzu gekommen sei unter den europäischen Energiemanagern eine starke Wahrnehmung von geopolitischen Risiken. Nord-Amerika und Russland werden als deutlich unsichere Partner wahrgenommen.
Andere Themen, die einigen Jahren ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, sind in der aktuellen Einschätzung fast bedeutungslos geworden. Darunter finden sich Themen wie Carbon Capture and Storage (CCS), der Energieträger Kohle oder die Förderung von Schiefergas. Ein Grund für das gesunkene Interesse an CCS sei ein fehlender globaler CO2-Preis. CCS werde zwar grundsätzlich von den Befragten als eine Möglichkeit gesehen, um CO2-Emissionen zu reduzieren, aber in der Realität existierten nur wenige Anlagen in industriellen Maßstab. Ohne einen Finanzierungsrahmen für CCS werde die Technologie nicht die notwendige Skalierung erreichen.
Der Trend zur Dekarbonisierung ist überall gegenwärtig. Viele Länder wollen daher früher oder später auf die Kohleförderung und Verstromung von Kohle verzichten, berichtet Frei. Neben dem Klimaschutz sei auch die Vermeidung von regionaler Luftverschmutzung ein entscheidender Grund. Die Förderung von Schiefergas sei vor allem in Nordamerika eine Erfolgsgeschichte gewesen. Die Entwicklung außerhalb Nordamerikas verlaufe hingegen – mit wenigen Ausnahmen wie Argentinien – deutlich schwächer als noch vor 5 Jahren erwartet worden war.
Bei der Gefahr von Hackerangriffen seien die deutschen Entscheider heute hellwach. Vor zehn Jahren habe dieses Risiko in der Branche noch überhaupt keine Rolle gespielt. Die Angst vor Cyberattacken sei in Deutschland sogar deutlich höher als in anderen Regionen der Welt. Ein Grund dafür sei die stark vernetzte und digitalisierte Infrastruktur sowie der steigende Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung. Hackerangriffe wie auf die Energieversorgung in der Ukraine oder auf andere energienahe Industriezweige machen dieses Risiko immer wieder von neuem sehr bewusst.
Ohnehin bestehe in Deutschland Sorge um die Versorgungssicherheit und Energieabhängig, das Deutschland jedes Jahr 70 Prozent seiner Energieressourcen importiere. Bei den geopolitischen Risiken gebe es eine dramatische Veränderung innerhalb der letzten fünf Jahre. Speziell das Verhältnis zu den USA und Russland sowie die Diskussion um Nord Stream 2 geben den Entscheidern Anlass zur Beunruhigung.
Das vollständige Interview ist in ew 10/2018 erschienen.
Interaktive Karte des World Energy Issues Monitor
Bildquelle: WEC