Grünbuch empfiehlt Weiterentwicklung des Marktdesigns

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Die Diskussion um ein neues Strommarktdesign gewinnt an Struktur. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat ein Grünbuch veröffentlicht, das in der Branche intensiv diskutiert wird. Grundlage sind Gutachten verschiedener Institute, die sich alle für die Weiterentwicklung des Strommarktes aussprechen, aber einen Kapazitätsmechanismus nicht zwingend für notwendig erachten. Für Ende Mai 2015 ist die Veröffentlichung eines Weißbuches vorgesehen, aus dem sich dann gesetzliche Vorgaben entwickeln können. Parallel ist die Bundesregierung mit den europäischen Nachbarn im Gespräch, um gemeinsame Lösungen im EU-Binnenmarkt zu finden.

Wie viele konventionelle Kraftwerke werden tatsächlich benötigt? Bei der Bundesnetzagentur liegen derzeit rund 50 Anträge auf Stilllegung von Kraftwerksblöcken vor. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erwartet ein-en weiter fortschreitenden Prozess der Marktbereinigung in den nächsten Jahren, sieht aber dabei die Herausforderungen für die Versorgungssicherheit. Der Verband geht wie die Gutachter des BMWi davon aus, dass es grundlegender Veränderung-en bedürfe, damit Kraftwerke im Bestand und im Neubau wieder ökonomisch vernünftige Rahmenbedingungen und damit reale Chancen haben. Das von den Gutachtern beschriebene Modell führe perspektivisch zu steigenden Preisen, basierend allerdings auf sehr selten auftretenden und sehr hohen Preisspitzen von bis zu 15 000 Euro.

Frankreich wird ab 2016 einen Kapazitätsmarkt einführen. Die französischen Verbraucher sind aufgefordert, ihren Bedarf an sicherer Leistung abzuschätzen. Der so ermittelte Wert wird durch eine Reserve ergänzt, die sicherstellt, dass auch an extremen Wintertagen ausreichend Strom für die französischen Direktheizungen zur Verfügung steht. Eine spätere Kopplung des französischen Systems mit den Märkten in den Nachbarstaaten wäre eine mögliche Option.

In der deutschen Debatte geht es derzeit um die Frage, wie Versorgungssicherheit und fluktuierende Erzeugung in Einklang gebracht können. Dabei wird diskutiert, ob nur die Energielieferung (Energy Only – EOM) oder auch die Bereithaltung von Kapazitäten bezahlt werden sollte. Die Gutachter schlagen einen EOM 2.0 vor, der stärker als bisher Anreize für Versorgungssicherheit setzt. Dazu gehören eine Flexibilisierung der Nachfrage, Notstromanlagen und eine bessere Bewirtschaftung von Bilanzkreisen sowie eine stärkere internationale Koordination.

Im Einzelnen sehen die Ökonomen der verschiedenen Studien dabei die folgenden Schwerpunkte:

  • In der „Leitstudie Strommarkt“ identifiziert Connect Energy Economics Flexibilitätshemmnisse und empfiehlt den Stromgroßhandelsmarkt sowie die Regelenergiemärkte für erneuerbare Energien und flexible Nachfrager zu öffnen. Zudem sollten Erzeuger und Verbraucher die Preissignale der Märkte unverzerrt erhalten, was bedeutet, dass das System der Umlagen und Entgelte auf den Strompreis angepasst werden müsste.
  • Das Institut Frontier hat mit zwei Partnern Gutachten erarbeitet: Die Studie von Frontier und Formaet Services untersucht die Verlässlichkeit des heutigen EOM. Frontier und Consentec analysieren Kapazitätsmechanismen im Hinblick auf Versorgungssicherheit, gesamtwirtschaftliche Kosten und Verteilungseffekte. Frontier und seine Kooperations-partner kommen zu dem Schluss, dass der Strommarkt funktionsfähig sei, empfehlen aber, Anreize für eine bessere Bilanzkreistreue und mehr freiwillige Nachfrageflexibilität zu setzen. Ergänzend empfiehlt Frontier einen Reservemechanismus.
  • Das Gutachten von r2b Energy Consulting verweist ebenfalls auf die hohe Bedeutung des Bilanzkreis- und Ausgleichs-energiesystems. Zudem sollte die Preisgestaltung Anreize für eine individuelle Vorsorge setzen, eine Refinanzierung von Erzeugungskapazitäten ermöglichen und Flexibilitätsoptionen erschließen. Für den politischen Wunsch nach einer weitergehenden Absicherung sei eine zusätzliche Reserve ein geeignetes Instrument.

Der vollständige Beitrag ist in ew aktuell vom 28.8.2014 erschienen: ew_aktuell_2014_28_8

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