Windanlagen im Genehmigungstau

Windkraftwerke vor Abendhimmel

Windräder in Brandenburg. Der Zubau bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Gibt es zuviel oder zuwenig Windanlagen in Deutschland? Gemessen an den Zielen der Energiewende muss es noch deutlich mehr Windstrom werden. Viele Jahre kam der Ausbau gut voran, jetzt stockt die Entwicklung: An den Ausschreibungen nehmen weniger Gebote teil und Genehmigungen für Projekte stehen aus. Zu den Fakten und Hintergründen ist in der Zeitschrift Netzpraxis 9 / 2019 dazu der folgende Überblicksartikel erschienen.

Im ersten Halbjahr 2019 wurden nur 86 Windenergieanlagen mit einer Kapazität von insgesamt 287 MW gebaut. Das waren 82 Prozent weniger als im bereits schwachen Vorjahreszeitraum, ermittelte die Deutsche Windguard im Auftrag der Verbände Bundesverband WindEnergie (BWE) und VDMA Power Systems (VDMA). Grund für den historischen Tiefstand seien fehlende Genehmigungen und Verzögerungen durch laufende Klageverfahren.

Unter Berücksichtigung des Rückbaus alter Anlagen ergibt sich netto ein Plus von 35 Anlagen mit einer Kapazität von 231 MW. Gebaut wurde vor allem in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Keine neuen Anlagen gab es hingegen in Bayern, Hessen, dem Saarland und den Stadtstaaten.

Ausbau bleibt hinter den Erwartungen zurück

Die Zahlen für die ersten sechs Monate 2019 bleiben hinter den vorgesehenen Ausbaumengen des EEG zurück und die Prognose für das gesamte Jahr 2019 wurde nach unten auf 1.500 MW korrigiert. Das Wachstum ist auf dem niedrigsten Stand seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000, warnen die Verbände. Um die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen, müssten nach Einschätzung des BWE jährlich 4.700 MW hinzu kommen.

Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Hermann Albers, Präsident des BWE, sieht eine wachsende Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit: „Die Bundesregierung spricht einerseits von der Erreichung ambitionierter Ausbau- und Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2050. Genehmigungsstau und Klageflut führen aber zur Unterzeichnung der aktuellen Ausschreibungen.“ Derzeit steckten 11.000 MW Windprojekte im Genehmigungsverfahren fest.

Klagen blockieren Projekte

Nach einer Analyse der Fachagentur Wind an Land (FA Wind) beziehen sich die Klagen überwiegend auf den Natur- und Artenschutz, militärische Belange und UKW-Drehfunkfeuer. Insgesamt seien 4.790 MW blockiert, weil ihnen der Einfluss auf Flugnavigationsanlagen entgegengehalten werde, davon allein 2.370 MW durch Prüfbereiche von 10 bis 15 km um Drehfunkfeuer. In einer Branchenumfrage ermittelte die FA Wind zudem, dass 60 Prozent der Klagen durch Umwelt- und Naturschutzverbände vorgebracht werden.

Nicht nur der Zubau bleibt aus, auch im Bestand zeichnen sich größere Veränderungen ab. In den nächsten Jahren endet für immer mehr Anlagen die Förderung. „Bis 2025 fallen etwa 16.000 MW Windenergieleistung aus der EEG-Fördersystematik. Das ist für die Energieversorgung eine relevante Größe. Wir brauchen Lösungen, um den Weiterbetrieb und das Repowering zu gewährleisten und die Eigenversorgung und Direktbelieferung zu verbessern“, so Albers.

Insgesamt gab es Ende Juni 2019 in Deutschland 29.248 Windanlagen. Anzahlmäßig entspricht dies bereits dem Ziel des BWE für 2050. Allerdings soll die Leistung von 53.000 MW auf 200.000 MW im Jahr 2050 steigen. „Die heute neu installierten Anlagen sind mit der ersten Generation, nicht mehr vergleichbar“, erläutert Albers. „Die Narbenhöhe ist in den letzten 20 Jahren durchschnittlich von 71 auf 132 m gestiegen und der Durchmesser der Rotorblätter durchschnittlich von 58 m auf 118 m. Im Durchschnitt bauen wir heute Neuanlagen mit einer Leistung von 3.233 KW. Das ist etwa das dreifache wie im Jahr 2000.“

Repowering: Weniger Anlagen, mehr Leistung

Nach Einschätzung der Hersteller sollen Windparks bis zum Jahr 2050 im Durchschnitt eine Leistung von 5 bis 6 MW erreichen. Das Repowering ist auch eine Form eine Flurbereinigung hinzu weniger und dafür größeren Windrädern. „Es geht vor allem darum, an bestehenden Standorten die Anlagen zu modernisieren. Dies kann bedeuten, dass 15 Windräder durch 6 ersetzt werden und sich Leistung und Erzeugung des Windparks dennoch deutlich erhöhen“, so Albers weiter.

Bei Erzeugungskosten von 5 bis 6 Cent pro kWh gelten Windanlagen an Land inzwischen in vielen Ländern als wettbewerbsfähig. In Europa wurden 2019 bisher 2.967 MW neu errichtet. Vorn lagen Frankreich und Griechenland. Danach folgten Deutschland, Italien und die Ukraine. Auch global wächst der Markt für Windanlagen: Für 2019 wird weltweit ein Zubau von 59.000 MW erwartet.

Damit sich der Markt in Deutschland weiter entwickelt, fordern die beiden Verbände eine Industriepolitik, die die Windenergie als Schlüsseltechnologie stärker in den Mittelpunkt rückt. Matthias Zelinger, Geschäftsführer des VDMA betont die Dringlichkeit: „Mit Einreichung des finalen Nationalen Klima- und Energieplans (NECP) am Jahresende bei der EU-Kommission wird auch für internationale Investoren leicht sichtbar, ob Deutschland Vorreiter der Energiewende bleiben will oder ob unsere Nachbarn zu attraktiveren Standorten für Innovationen und Investitionen werden.“

Überarbeitete Fassung. Beitrag im Original unter: Netzpraxis 9 / 2019

Weitere Links zum Thema.

www.windguard.de

www.wind-energie.de

www.vdma.org

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