2. Phase der Energiewende: Mehr Mut und Bottom-up ist nötig

img_2588

Obwohl die Energiewende ohne Zweifel das große Zukunftsprojekt ist, setzt die Politik bisher eher auf konservative Methoden. In den letzten vier Jahren wurde vieles in der Energiebranche neu geregelt und der vorgesehene Arbeitsplan des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) konsequent erledigt. Über die nächsten Schritte der Energiewende gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Im Gespräch für die Zeitschrift EW-Magazin für die Energiewirtschaft erläutert Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, Deutsche Energieagentur (Dena), welche Dynamik durch einen Bottom-up-Ansatz entstehen könnte.

 In den vergangenen vier Jahren wurde energiepolitisch viel geschafft. Komplizierte Gesetzgebungsvorgaben wurden weitestgehend abgearbeitet, erläutert Kuhlmann. Allerdings habe dies vor allem Fragestellungen aus der zurückliegenden Legislaturperiode betroffen. Akzente für die Zukunft der Energiewende gab es dagegen nur wenige.

In der ersten Phase der Energiewende wurde eine angebotsorientierte Politik gemacht, quasi ein Top-down-Ansatz, analysiert Kuhlmann. Für die nun folgende nachfrageorientierte Politik sollte der Kunde stärker im Mittelpunkt stehen. Eine nachfrageorientierte Energiepolitik – der Bottom-up-Ansatz – braucht ebenfalls Steuerungskomponenten, er erfordert aber eine grundsätzlich andere Haltung. Es geht mir darum, vor allem auf die Potenziale zu schauen, und wie wir diese nutzbar machen können.

Die Durchsetzung von Energieeffizienz hat für Kuhlmann als erste Priorität. Positiv bewertet er auch, dass die Bundesregierung jetzt wieder vermehrt Fragen zur Diskussion stellt. Die letzten Veröffentlichungen wie das Grünbuch Energieeffizienz, die Ausführungen zum Strommarkt 2030 und auch der Klimaschutzplan deuten darauf hin. Die Energiewende entwickelt sich dynamisch. Viel größere Umbrüche seien zu erwarten, als gegenwärtig wahrgenommen wird.

Seit 2010 werde der Wirtschaftszweig in Deutschland quasi auf den Kopf gestellt. Bis 2020 werde es noch einmal eine Beschleunigung der Veränderungen erleben. Schon heute gebe es viele neue Akteure im Markt und die Konturen der bisherigen Wertschöpfungsstufen verschwimmen immer mehr. Branchenfremde Player entwickelten eigene Geschäftsmodelle für die Energiebranche. Die Technologiekosten seien zudem stark gesunken.

Unternehmer suchten heute verstärkt nach neuen Geschäftsfeldern und probierten gerne etwas aus. Die Frage ist nur, ob der legislative und regulatorische Rahmen ausreichend zulässt, neue Ideen zu entwickeln, betont Kuhlmann. Bisher ist der Rahmen vor allem auf die erste Phase der Energiewende ausgerichtet, mehr top-down als bottom-up. Eine Anpassung an die nächste Stufe sei sicher nicht trivial, es gehe um viele Facetten. Eine All-electric-Society erwartet Kuhlmann in absehbarer Zeit allerdings nicht: „Bis 2050 können wir gar nicht alles verstromen. Dazu ist die Zeit viel zu knapp. Wir müssen bei der Energieversorgung auch andere Infrastrukturen berücksichtigen. Gas spielt auch in Zukunft eine wichtige Rolle.“

Das vollständige Interview ist in ew 2/2017 erschienen.