Gasförderung rückwärts: CO2-Einspeicherung in unterirdische Lagerstätten

Kohlendioxid (CO2) in der Erdatmosphäre ist gefährlich für das Weltklima. Wie verhält es sich aber in unterirdischen Speicherstätten? Drei europäische Nachbarländer erproben einen Weg, der in Deutschland verboten ist. Im Interview für die Zeitschrift ET-Energiewirtschaftliche Tagesfragen erläutern Hugo Dijkgraaf, CTO und Klaus Langemann, Senior Vice President Carbon Management & Hydrogen, Wintershall Dea die unterschiedlichen Einschätzungen zur Abscheidung und Einspeicherung von CO2 – Carbon Capture and Storage (CCS).

CCS ist umstritten: Während Befürworter in Europa die Technologie für unbedingt notwendig halten, um die Klimaziele von Paris überhaupt erreichen zu können, fehlt es bei der deutschen Bevölkerung an Akzeptanz. Dies spiegelt sich auch im gesetzlichen Rahmen: Bis 2016 waren Versuchsanlagen gestattet. Inzwischen ist die dauerhafte Speicherung von CO2 im Boden in Deutschland untersagt.

Diese negative Bewertung der CO2-Speicherung wird nicht überall geteilt. Das international tätige Unternehmen Wintershall Dea beobachtet, dass CCS auf der Agenda von sehr vielen Ländern ist. Auch die EU-Kommission ist überzeugt, dass sich die gesetzten Klimaziele ohne CCS gar nicht erreichen lassen. CCS wird insbesondere deshalb als notwendig angesehen, weil prozessbedingte Emissionen der Stahl- und Zementindustrie auf anderem Wege schwer vermeidbar sind. Auch lässt sich der sogenannte blaue Wasserstoff durch CO2-Abscheidung aus Erdgas gewinnen.

Hugo Dijkgraaf, Winterhall Dea Bildquelle: Wintershall Dea/Ludwig Schöpfer

Hugo Dijkgraaf, CTO und Klaus Langemann beschäftigen sich bei Wintershall Dea mit der Einspeicherung von CO2.  Das Unternehmen ist  Miteigentümer des seit vielen Jahren produzierenden Ölfeldes Nini West. Unter dem Projekt Greensand soll die ausgeförderte Lagerstätte künftig in einen CO2-Speicher umgebaut werden. Das Ölfeld sei nach vielen Dekaden der Förderung sehr gut bekannt, berichtet Dijkgraaf. Die dort vorhandene Infrastruktur von Plattformen, Bohrlöchern und Unterkünften für die Mitarbeiter lasse sich weiter nutzen. Im letzten Jahr habe DNV GL zertifiziert, dass eine CO2-Injektion an diesem Standort möglich ist. Ziel sei, in den nächsten zehn Jahren 500.000 Tonnen jährlich dort einzuspeichern.

CCS – ein neuer Name für erprobte Verfahren

Die Skepsis der Bevölkerung entstehe aus dem Missverständnis, dass CCS keine neue Technologie sei, sondern seit vielen Jahren erprobt, sicher und zuverlässig. Die Öl- und Gasbranche habe mehr als 100 Jahre Erfahrung damit, wie 300 Millionen Jahre alte Öl- und Gasvorkommen aus dem Boden gefördert werden. Die Injektion von CO2 sei quasi der umgekehrte Weg, erläutert Dijkgraaf.

Die Eigenschaften des CO2-Speichers seien vergleichbar mit Öl- oder Gasfeldern, betont Langemann. Benötigt werde ein Gestein mit einer gewissen Durchlässigkeit, so dass Wasser verdrängt und CO2 eingespeichert werden kann. Außerdem werde eine Deckschicht zum Abdichten z.B. aus Salz oder aus Schiefer benötigt. Das CO2 werde sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem Carbonatgestein mineralisieren. Das sei dann zwar nicht ganz Marmor, aber ähnlich.

Geschäftsmodell CO2-Speicherung in den Niederlanden

Im Gegensatz zu Deutschland ermöglich der Rechtsrahmen in den Niederlanden CCS als Geschäftsfeld zu entwickeln. Das niederländisches Joint Venture von Wintershall Dea fördert Gas mit etwa 20 Offshore-Plattformen in der Nordsee. Viele dieser Quellen werden in den nächsten Jahren versiegen, so Dijkgraaf. Da biete es sich an, diese Infrastruktur für die Speicherung von CO2 zu nutzen. Von Vorteil sei zudem, dass die niederländischen Industriezentren an der Küste zwischen Rotterdam, Den Haag und Amsterdam liegen und teilweise über Pipelines mit den Plattformen verbunden sind.

Klaus Langemann, Wintershall Dea, Bildquelle: Wintershall/Ingmar Nolting

Die Niederlande haben selbst einen hohen Bedarf, CO2-Emissionen einzuspeichern, ergänzt Langemann. Ganz anders sei die Situation in Norwegen, dessen eigene CO2-Emissionen gering sind. Dort gebe es große CO2-Speichermöglichkeiten in sogenannten salinaren Aquiferen. Aquifere sind geologische Lagerstätten wie sie für Öl und Gas vorkommen, allerdings mit dem Unterschied, dass sich dort keine Öl- oder Gasvorkommen gesammelt haben. Eines der bekanntesten Projekte sei das Northern Lights Projekt, wo CO2 aus der Zementproduktion in Brevik eingelagert werde. Weitere CO2-Mengen könnten aus anderen Ländern Europas per Schiff nach Norwegen angeliefert werden und dann in den Speicher verbracht werden.

Langfristige Verantwortung noch offen

Offen sei die Frage, wer die langfristige Verantwortung für das gespeicherte CO2 trägt, betont Langemann. Aus seiner Sicht ist klar, dass dies kein privatwirtschaftliches Unternehmen langfristig übernehmen kann. Zudem war es bis 2019 in der EU verboten, CO2 zu verschiffen. Inzwischen ist der Export von CO2 möglich, wenn ein bilateraler Vertrag zwischen dem emittierenden Land und dem Speicherland vorliegt.

Dijkgraaf hofft, dass auch die Deutschen die klimapolitische Notwendigkeit und die Vorteile dieser Technologie realisieren werden. Kurzfristig ist er wenig optimistisch, dass sich der gesetzliche Rahmen in Deutschland für CCS ändern wird. Zumindest wird das Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (KSpG) regelmäßig evaluiert. Die nächste Überprüfung steht Ende 2022 an.

Das vollständige Interview ist in ET 5/2021 erschienen.

www.wintershalldea.com

 

 

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