Motivation von kleinen Gruppen: Wir und unsere Energie

Ludwig Karg, Geschäftsführer, B.A.U.M Consult, Bildquelle: © European Union

Strom selber machen und andere mitversorgen? Technisch ist das machbar, juristisch aber äußerst kompliziert.  Zwei EU-Richtlinien wollen Privatpersonen nun mehr Entfaltungsmöglichkeiten geben. Damit könnte auch die Akzeptanz der Energiewende in der Gesellschaft wieder steigen. Im Interview für die Zeitschrift ET – Energiewirtschaftliche Tagesfragen erläutert Ludwig Karg, Geschäftsführer B.A.U.M Consult die bisher wenig genutzte Schubkraft von Dezentralisierung und Regionalität.

Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen alle, die im Energiesystem eine Rolle spielen wollen, dieses im Wettbewerb auch verwirklichen können. Stichtag für die nationale Einführung von sogenannten „Citizen Energy Communities“ ist der 31.12.2020 und für die sogenannten „Renewable Energy Communities“ der 30.6.2021. Mit den Citizen und Renewables Energy Communities bekommen Bürger und kleinere Unternehmen die Möglichkeit, sich untereinander selbst zu versorgen oder mit Stadtwerken zusammen eine Energiegemeinschaft zu gründen.  Die Renewable Energy Communities bezieht sich auf auf regionale erneuerbare Energien in Form von Strom und Wärme beschränkt. Eine reine Gewinnerzielung ist nicht vorgesehen. Nach der Citizen Energy Communities sollen eine gemeinschaftliche Stromerzeugung, das Angebot von Flexibilität oder die gemeinsame Nutzung eines elektrischen Fuhrparks möglich werden.

Menschen schätzen das Vertraute

Die Richtlinie adressiert Grundbedürfnisse einer Gesellschaft: Menschen schätzen, was sie aus ihrer Umgebung kennen, erläutert Karg im Gespräch. Das beginne bei regionalen Lebensmitteln, für die Verbraucher gerne auch etwas mehr zahlten. Das wäre wohl bei der Energieversorgung nicht anders. Aber leider könnten die Anwohner sich bisher nicht von der regionalen Windanlage mit Strom beliefern lassen. Das gelte sogar, wenn sie selbst finanziell an dem Windrad beteiligt sind.

Energiewende braucht Akzeptanz der Bürger und InvestiTionen

Gerade in Deutschland könnten die neuen Regeln das Interesse an der Energiewende wieder beleben. Nach einem anfänglichen starken Engagement der Bürger, ist die Akzeptanz zwischenzeitlich gesunken. Ohnehin spielen die Verbraucher im künftigen Energiesystem eine aktivere Rolle, indem sie ihr Verhalten nach der Erzeugung ausrichten. Darüber hinaus wird viel privates Kapital benötigt wird, um die Transformation zu finanzieren.

Motivation in der Gruppe

Kleine Gruppen verfügen über eine Motivation, die mit Geld nicht zu  bezahlen ist:  In einer Gemeinschaft, die möglichst mit der eigenen Stromproduktion auskommen will, wird jeder einzelne den Strom möglichst dann verbrauchen, wenn Produktionsüberschüsse vorhanden sind – und umgekehrt, so Karg. Einen solchen natürlichen Anreiz gebe es nur innerhalb einer Kohorte, die sich mit dem identifizieren kann, was sie tut. Das zeige sich auch bei Mieterstrommodellen, in denen die Bewohner ihren Stromverbrauch an ihren Vor-Ort-Strom optimal anpassten.

Eine Community könne sich systemdienliches Verhalten honorieren lassen und beispielsweise für einen Car-Sharing-pools sicherstellen, dass nicht mehr als drei Autos gleichzeitig laden. Damit kann die Gemeinschaft innerhalb eines Straßenzugs bereits Erzeugung und Verbrauch ausgleichen und das Netz entlasten, erläutert Karg. Diese Festlegung könne dann dem Netzbetreiber als gesicherte Flexibilität angeboten werden und Netzausbaukosten reduzieren.

Genossenschaften: Seit 100 Jahren in Deutschland bewährt

Als Rechtsform kommt für die Energiegemeinschaft eine Genossenschaft in Frage. Hier blickt Deutschland eine 100-jährige Tradition.  Der Gesetzgeber den Genossenschaften gegenüber Kapitalgesellschaften einen Vorteil verschafft, dass sie nicht prospektpflichtig sind. In vielen Mitgliedstaaten fehlt leider noch eine solche vorteilhafte Gesetzgebung zu Genossenschaften, so Karg.

Neue Perspektiven für Energieversorger

Auch wenn die Bürger sich persönlich engagieren – eine Energiegemeinschaften werde nicht als Zusammenschluss von Laien funktionieren. Sie brauche unbedingt professionelle Dienstleister, seien es Berater oder Stadtwerke, betont Karg. Künftig werde es für Energieversorger darum gehen, den Kunden zu ermöglichen, sich selbst zu versorgen. Darin liege eine Perspektive für Stadtwerke.

Das vollständige Interview ist in ET 10/2020 erschienen.

www.baumgroup.de

www.energie.de

Ein Blick auf erfolgreiche Energiegemeinschaften in Europa findet sich hier: Akzeptieren und mitmachen: Die Europäische Idee einer Energieversorgung durch Bürger

Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 5. Juni 2019 EU 2019/944