Klimaschutz auf der Straße: Anderer Brennstoff oder andere Mobilität?

Im Straßenverkehr entsteht viel CO2. Um das Fahren künftig klimafreundlicher zu gestalten, werden E-Fahrzeuge und Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff entwickelt. Ob es damit aber möglich ist, die bisherigen Verbrennungsprozesse zu ersetzen, ist aus verschiedenen Gründen noch offen. Vielleicht muss sich auch die Mobilität insgesamt ändern. Im Forschungsprojekt Kopernikus entwickeln Wissenschaftler daher gemeinsam mit Bürgern und Unternehmen verschiedene Wege zu mehr Klimaschutz im Straßenverkehr.

Das Projekt Kopernikus wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und bearbeitet mit seinen vier Teilprojekten Ariadne, Ensure, P2X und Synergie unterschiedliche Schwerpunkte der Energiewende. Für den Verkehrssektor untersuchen die Forscher, welche Antriebsenergien es gibt und wie eine Verkehrsinfrastruktur aussehen könnte.

Mineralöl hat den größten Anteil am Primärenergieverbrauch

Deutschland importiert rund 70 des Primärenergiebedarfs. Davon ist etwa ein Drittel Mineralöl, das zu zwei Dritteln im Verkehrssektor landet und etwa 20 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verursacht. Mit der heutigen Struktur des Energieverbrauch wird es nicht ausreichen, allein den Stromsektor klimaneutral zu gestalten. Auch der Verkehrssektor muss seine Verbrennungsprozesse verändern, um die Klimaziele zu erreichen.

Antriebswende: Autofahren ohne CO2

Um Emissionen im Straßenverkehr künftig zu vermeiden, wäre ein Weg, CO2-freie Energiequellen für die Mobilität zu nutzen. So geht das in den Teilprojekten ENSURE und P2X untersuchte Konzept einer Antriebswende davon aus, dass Fahrzeuge vermehrt mit grünem Strom und alternativen Kraftstoffen fahren. Allerdings wäre der Strombedarf für die heute geleisteten Fahrstrecken erheblich.

Stephan Rupp, stellvertretender Teilprojektleiter im Kopernikus-Projekt ENSURE und zuständig für die Geschäftsentwicklung Leistungselektronik bei der Maschinenfabrik Reinhausen macht die Dimension einer Elektrifizierung der Mobilität deutlich: „Das Stromnetz transportiert 600 Terawattstunden. Der Straßenverkehr hat einen Energiebedarf von 700 Terawattstunden, dieser ist also insgesamt größer als die gesamte Stromproduktion.“

Ob wirklich soviel Strom gebraucht wird hängt auch davon ab, welche Art der Motoren verwendet werden. Denn die Effizienz der verschiedenen Antriebssysteme ist sehr unterschiedlich. E-Fuels entsprechen im Prinzip den heutigen Kraftstoffen, werden aber nicht aus Erdöl, sondern aus grünem Wasserstoff hergestellt. Damit könnten vorhandene Motoren CO2-neutral werden.

Strom oder E-Fuels?

Wenn es darum geht, die Energie auf die Straße zu bringen, macht es einen Unterschied, ob die Fahrzeuge mit Strom oder mit E-Fuels fahren: „Ein batteriegetriebenes Fahrzeug wandelt annähernd die komplette elektrische Energie in Bewegungsenergie um. Ein Verbrennungsmotor, der mit E-Fuel befeuert wird, produziert überwiegend Wärme und nur zu ¼ Bewegungsenergie“, erläutert Rupp.

Bei einer kompletten Umstellung des heutigen Straßenverkehrs auf E-Fuels würden dann mit 700 TWh deutlich mehr Primärenergie in Form von Strom benötigt, als heute durch das Netz fließt. Bei einer direkten Nutzung von Strom kämen die Fahrzeuge hingegen mit rund 250 TWh Strom aus, hat Rupp errechnet. Gemessen an dem gegenwärtigen Strombedarf wären das etwa 50% mehr. Bei einem nächtlichen Ladevorgang wäre der Stromtransport auch mit der vorhanden Netzinfrastruktur zu schaffen.

Bisher ist unklar, wie die entsprechenden grünen Strommengen erzeugt werden können. Beim weiteren Ausbau von Solar- und Windanlagen zeichnet sich ab, dass die Flächen knapp werden. Aber auch bei den E-Fuels ist noch nicht absehbar, wie diese in großem Stil produziert werden. Grüner Wasserstoff oder daraus gewonnene synthetische Kraftstoffe existieren bisher in Konzepten und Modellversuchen, aber nicht als Wirtschaftszweig.

Verkehrswende: Mobilität mit anderen Mitteln

Die Betrachtung der Antriebsenergie ist allerdings nur ein Weg, um CO2 im Verkehrssektor zu vermeiden. Ein alternativer Ansatz einer Verkehrswende konzentriert sich auf eine Mobilitätswende im Sinne von Verhaltensänderungen. Im Teilprojekt Ariadne wird untersucht, ob die Bevölkerung bereit wäre, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Personennahverkehr anstelle vom Auto zu fahren und wie der richtige Rahmen dafür aussehen könnte.

Die Wissenschaftler befragen dazu jährlich 6.800 Menschen in Deutschland, um Anliegen und Bewertungen der Bürger zur Strom- und Verkehrswende einzufangen. Fast 80 Prozent der Teilnehmenden sehen die Transformation als Gemeinschaftsaufgabe, bei der jeder Mensch einen Beitrag zum Gelingen leisten sollte. Mehr als die Hälfte der Menschen beschreibt die Umsetzung der Energiewende jedoch als teuer oder bürgerfern und wünscht sich mehr Tempo.

Bildquelle: Ariadne

Außerdem diskutierten rund 90 zufällig ausgewählte Bürger bei digitalen Treffen, was ihnen bei einer Verkehrswende wichtig ist. Ein Ergebnis: Die Bürger empfinden die Notwendigkeit einer Verkehrswende. Ihre eigene Möglichkeiten daran teilzunehmen, erleben sie aber als sehr begrenzt, vor allem wegen der bestehenden Infrastruktur. Dazu gehört sowohl die Situation von Straßen und Radwegen vor Ort als auch die persönliche Situation im Sinne eines „Ich würde ja anders wollen, wenn ich nur könnte“.

Wenn die Infrastruktur da ist – wird sie genutzt

Die Infrastruktur ist damit ein wichtiger Ansatzpunkt, um den Straßenverkehr zu gestalten: „Wenn wir Straßen bauen, fahren die Menschen mehr Auto. Doch wenn wir Radwege bauen, dann fahren sie auch mehr Fahrrad. Das Gefühl der Leute, dass die Infrastruktur ihr Handeln beeinflusst, ist durch Daten belegbar. Zudem ist es belegbar, dass Menschen schnell bereit sind, ihr Transportmittel zu wechseln,“ erläutert Arwen Colell, Politik-Analystin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC Berlin), die Ergebnisse des Kopernikus-Projekts Ariadne.

Andererseits zeigt sich in den Befragungen auch ein klarer Wunsch nach einer Verkehrswende ohne Verhaltensänderung. Florian Koller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und ebenfalls für das Kopernikus-Projekt tätig, verweist auf die Trägheit des Verhaltens: „Das Mobilitätsverhalten ist sehr routiniert. Selbst wenn die Einstellung stimmt und das Umweltbewusstsein da ist, bedeutet das nicht, dass die Menschen ohne geänderte Rahmenbedingungen auch ihr Verhalten ändern. “

Insofern steht Koller einer Mobilitätswende eher skeptisch gegenüber: „Wir sehen in den in Ariadne genutzten Modellen, dass die direkte Elektrifizierung im Verkehrssektor für den Zeitraum bis 2030 das größte Potenzial für CO2-Einsparung hat. Danach ergeben sich Potenziale auch für die indirekte Elektrifizierung, z.B. durch Wasserstoff.“

Deutlich wurde in den Untersuchungen auch, dass das Auto des Deutschen liebstes Kind ist. Es steht für Freiheit und Mobilität. Aber auch das Gegenteil ist richtig: Nach einer aktuellen Umfrage erleben viel Befragte gerade den Verzicht auf das Auto als ein Gewinn von Freiheit. Auch darin könnte eine Chance für eine Mobilitätswende liegen.

Unabhängig von mehr Klimaschutz haben die Bürger Hoffnungen, dass eine Verkehrswende ihre Lebensqualität verbessert. Die Erwartungen richten sich auf weniger Lärm, bessere Luft und kürzere Wege durch kompaktere Siedlungsstrukturen. Zudem wünschen sich viele Bürger einen besseren öffentlichen Nahverkehr, eine Fahrradinfrastruktur sowie die Möglichkeit zum Carsharing.

Die Ergebnisse des „Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers 2021“ sind auf ariadneprojekt.de online verfügbar.

 

Energiepolitik in der nächsten Legislatur: Entscheidend ist der Ausbau der Enerneuerbaren

Die Spitzenkandidaten von SPD, FDP, Bündnis90/DIE Grünen, CDU positionieren sich im BDEW-Talk zur Energiepolitik. Nicht im Bild: Teilnehmer Armin Laschet. Bildquelle: BDEW

Geht die Energiewende in der nächsten Legislaturperiode weiter? Viel hängt davon ab, ob es gelingt, Solar- und Windanlagen in kurzer Zeit massiv auszubauen und internationale Wasserstofflieferungen zu erschließen. In einer Diskussionsrunde auf Einladung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigten die Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP große Einigkeit darin, ein klimaneutrales Deutschland bis 2045 zu erreichen. Der vollständige Beitrag ist in der Zeitschrift EW – Magazin für die Energiewirtschaft, Ausgabe 7-8, erschienen.

Die Energiebranche ist stärker als andere Wirtschaftszweige von der Dekarbonisierung betroffen. BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff sieht ihre Verbandsmitglieder in der Rolle als Umsetzer. Entscheidend sei aber, dass die richtigen politischen Weichen in der nächsten Legislatur gestellt würden. Allein die Festlegung der Klimaneutralität auf das Jahr 2045 reduziere noch kein CO2. Wolff: „Wir brauchen einen Boom sowohl beim Wind- als auch beim Photovoltaikausbau!“

Standorte für Windanlagen

Die Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Annalena Baerbock, empfahl, mehr Windkapazitäten auszuschreiben und auch nicht ganz so windhöffige Standorte in Süddeutschland bei der Vergabe zu berücksichtigen. Für Neubauten müsse es eine Pflicht zur Installation einer Photovoltaikanlage geben. Eine eigene Stromerzeugung mache in Relation zum gesamten Bauvorhaben nur einen geringen Teil der Kosten aus und würde sich bereits nach acht Jahren rentieren.

Zielkonflikt Natur- und Artenschutz

Um den Ausbau von erneuerbaren Energien zu beschleunigen, schlug Christian Lindner, FDP, vor, die bestehenden Zielkonflikte beim Natur- und Artenschutz und auch beim Verbandsklagerecht aufzulösen. Olaf Scholz, SPD, sprach sich ebenfalls für Änderungen beim Baurecht und Artenschutz aus. Zudem sollten nach dem Vorschlag seiner Partei die Bundesländer 2 Prozent ihrer Landesfläche für den Ausbau der Windenergie bereitstellen.

Genehmigungsverfahren Zu Langwierig

Für den BDEW liegt das Problem weniger an fehlenden Investitionsplänen als vielmehr in der Durchführung. Ein Boom gelinge nur mit vereinfachten Planungs- und Genehmigungsverfahren und der Ausweisung zusätzlicher Flächen für Windräder und Photovoltaikanlagen, gab Wolff zu bedenken. „Mindestens genauso wichtig ist der Ausbau der Energieinfrastruktur,“ so Wolff weiter, „hier brauchen wir einen nachhaltig wirkenden Regulierungsrahmen, für die notwendigen milliardenschweren Investitionen in die Netzinfrastruktur.“

Armin Laschet war der Diskussionsrunde über Video zugeschaltet. Er betonte, wie dringend die Energiewende beschleunigt werden müsse. Die Erfahrungen aus der Pandemie hätten gezeigt, welche Veränderungen möglich seien.

Gaskraftwerke weiterhin benötigt

Gas soll noch auf absehbare Zeit Teil des Energiemixes bleiben. Der SPD-Spitzenkandidat geht davon aus, dass weiterhin neue Gaskraftwerke benötigt werden, um die Flexibilität bei der Stromerzeugung zu sichern. Auch Baerbock sieht im Energieträger Gas eine Brückentechnologie, verweist aber darauf, dass eine Brücke endlich sei. Konkret bedeute das, neue Gaskraftwerke so zu planen, dass sie auch mit Wasserstoff befeuert werden können.

Importbedarf von Wasserstoff

Die Umstellung der heimischen Energieerzeugung ist jedoch nur ein Teil der Antwort. Deutschland sei heute Energieimporteur und werde dies auch in Zukunft bleiben, zeigte sich Lindner überzeugt. Allerdings sollte künftig Wasserstoff anstelle von fossilen Brennstoffen importiert werden. Wasserstoff sollte möglichst viele Anwendungen finden: Der Energieträger sei nicht der Champagner sondern das Mineralwasser der Energiewende, führte Lindner aus. Er hob hervor, dass es dazu nötig sei, die unterschiedlichen Arten der Wasserstofferzeugung gleichermaßen zu nutzen.

Der Importbedarf von Wasserstoff sei nur mit international neuen Allianzen zu realisieren, betonte Laschet. Viele Länder arbeiteten an der Umstellung auf Wasserstoff – so auch die Mittelmeeranrainer und die arabische Welt. Ein Vorteil des Gas-Projektes Nordstream 2 sei, dass die Pipeline auf Wasserstoff umgestellt werden könne und so der Übergang in der Energieversorgung gesichert werde. Auch Lindner sprach sich für die Fertigstellung der umstrittenen Gasleitung aus.

Der vollständige Beitrag ist in der Zeitschrift EW – Magazin für die Energiewirtschaft, Ausgabe 7-8, erschienen.

www.bdew.de

Video der Diskussionsrunde vom 17.6.2021: https://youtu.be/4MPoGtMy6m8

BDEW-Talk mit den Spitzenkandidaten unter Moderation von Marco Seiffert am 17.6.2021 in der Station-Berlin. Bildquelle: BDEW

Global gedacht: Produktion von grünem Wasserstoff in großem Stil möglich

Günstige Standorte für die Produktion von grünem Wasserstoff

 Wasserstoff muss keine Luftnummer werden. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) haben ermittelt, dass es mit der Perspektive 2050 weltweit ausreichend günstige Standorte für die Produktion von grünem Wasserstoff gibt. Ein Online-Tool bietet konkrete Informationen zu Produktionsbedingungen und Kosten für alle Länder im Vergleich.

Grüner Wasserstoff gilt als Lösung für viele offene Fragen der Energiewende. Allerdings bringt er selbst die grundlegende Frage mit sich, ob es überhaupt realistisch ist, entsprechende Mengen zu erzeugen. Hintergrund des Zweifels an einer Verfügbarkeit in großen Mengen, ist der hohe Energiebedarf eines Elektrolyseurs. Wird dieser mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben, bedeutet dies, dass zunächst große Mengen von Sonnen- und Windstrom erzeugt werden müssen.

Ein Gruppe von Forschern des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat weltweit 600 Standorte für Power-to-X (PtX) analysiert und kommt zu einer optimistischen Einschätzung. Die Analyse hat ergeben, das außerhalb Europas langfristig etwa 109.000 Terrawattstunden flüssiger grüner Wasserstoff produziert werden kann.

Energieeffizienz, Elektrifizierung mit grünem Wasserstoff kombinieren

Grundsätzlich gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Strom auch künftig prioritär direkt genutzt werden sollte. Für Anwendungen, in denen das nicht möglich ist, kann Wasserstoff fossile Energieträger ersetzen.

Rechnet man die zur Verfügung stehenden Mengen nach dem heutigen Anteil an der Weltbevölkerung auf Deutschland herunter, stehen 770 Terawattstunden Wasserstoff zur Verfügung. »Das genügt, um den verbleibenden Brenn- und Kraftstoffbedarf zu decken – vorausgesetzt, Energieeffizienz und direkte Stromnutzung haben jederzeit absoluten Vorrang«, erläutert Norman Gerhardt, Leiter Energiewirtschaft und Systemanalyse, Fraunhofer IEE.

Unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien wie ausreichender Wasserverfügbarkeit und dem soziökonomischen Rahmen kommen viele Standorte für eine Wasserstofferzeugung in Betracht. Besonders günstige Standorte gibt es in den USA, Australien, Argentinien und Russland. Chile und Kanada weisen ebenfalls ein gutes Potenzial auf.

Auch näher an Europa gelegene Staaten wie Ägypten oder Libyen wären prinzipiell in der Lage, große PtX-Volumina zu liefern – und auch grünen gasförmigen Wasserstoff, da die Transportstrecken vergleichsweise kurz sind. In diesen Ländern seien die sozioökonomischen Bedingungen jedoch schlechter, so dass die Investitionsrisiken und damit die Finanzierungskosten höher wären.

Nachhaltigkeit für PtX-Standorte berücksichtigt

Untersucht wurde das Potenzial für Photovoltaik- und Onshore-Windanlagen in Kombination mit Elektrolyseuren und Transportmöglichkeiten für flüssigen Wasserstoff per Schiff. Ausgeschlossen wurden dabei Orte, an denen es zu Konflikten mit dem Naturschutz oder der Nahrungsmittelproduktion kommen könnte.

Der PtX-Atlas ist als interaktives online-Tool erschienen und steht kostenlos auf der Website des Projektes zur Verfügung. Die Arbeiten sind im Rahmen des Forschungsprojektes DeV-KopSys erfolgt, das durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wurde. Der Überblick soll als Orientierung dienen, welche Regionen sich längerfristig zu Energieschwerpunkten entwickeln und über eine Energiepartnerschaft gefördert werden könnten.

Der PtX-Atlas ist ab dem 1. Juni 2021 online: https://devkopsys.de/ptx-atlas/

Bildnachweis: Fraunhofer IEE

 

Gastransporte im Pipelinesystem: Erdgas oder Wasserstoff?

Ulrich Ronnacker, Leiter Recht und Regulierung, Open Grid Europe erläutert den Rechtsrahmen für Wasserstoffnetze

Ulrich Ronnacker: Wasserstoff ist ebenso ein Gas wie Erdgas Bildquelle: OGE

Wasserstoff soll ein zentrales Element der Energiewende werden. Aber wer darf diesen überhaupt liefern? Technisch ist der Betrieb von Wasserstoffnetzen durch die Gasnetzbetreiber erprobt, rechtlich bisher aber nicht vorgesehen. Fernleitungsnetzbetreiber wie das Unternehmen Open Grid Europe drängen darauf, ihr Geschäftsfeld erweitern zu dürfen.

Ulrich Ronnacker, Leiter Recht und Regulierung bei Open Grid Europe erläutert im Interview mit der Zeitschrift EW – Magazin für die Energiewirtschaft, Ausgabe 1/2021 wie sich das deutsche Recht verändern muss, um für die Belieferung mit Wasserstoff eine Netzinfrastruktur aufzubauen. Diese könnte ähnlich dem heutigen Gasnetz Standorte in ganz Europa verbinden.

Wasserstoff aus erneuerbarem Strom – sogenannter grüner Wasserstoff – soll künftig eine CO2-freie Produktion von Gütern des täglichen Bedarfs ermöglichen. In der Chemie- und Stahlindustrie wird bereits mit dem Rohstoff und Energieträger geplant. Heute werden diese Unternehmen durch die Betreiber der Fernleitungsnetze mit Erdgas beliefert. Diese könnten künftig auch Wasserstoff durch ihre Leitungen schicken, wenn es dies die Rechtslage erlauben würde.

Sind Gasnetze automatisch Erdgasnetze?

Bisher ist im Energiewirtschaftsgesetz definiert, dass sich die Tätigkeit der Fernleitungsnetzbetreiber nur auf den Betrieb von Erdgasnetzen erstreckt, kritisiert Ronnacker. Vor gut zehn Jahren, als die entsprechende europäische Erdgasbinnenmarktrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt wurde, sei das Thema Wasserstoff noch wenig präsent gewesen. Obwohl die EU vermerkt hatte, dass der Geltungsbereich auch andere Gase einschließe, wurde in der deutschen Formulierung durch die Vorsilbe „Erd“ die Anwendung in Deutschland stark eingeschränkt.

Aus alt mach neu: 450 km Wasserstoffnetz aus überwiegend vorhandenen Leitungen möglich

In der Hoffnung, dass sich die regulatorischen Vorgaben auch auf Wasserstoff erweitern lassen, haben die Fernleitungsnetzbetreiber bei der Bundesnetzagentur einen Vorschlag für ein Wasserstoffnetz im Jahr 2030 eingereicht: Nach dieser Modellierung könne schon Mitte des Jahrzehnts ein rund 450 km langes Wasserstoffnetz aufgebaut werden. Neu hinzu kämen dabei nur etwa 60 km Wasserstoff- sowie 19 km Erdgasleitungen, um einige Kunden umzuhängen. 90 Prozent des Wasserstoffnetzes könne durch eine Umstellung vorhandener Gasleitungen dargestellt werden.  Wenn der Begriff „Gas“ als Synonym für Erdgas und Wasserstoff verwendet würde, könnte die Bundesnetzagentur die Planungen der Fernleitungsnetzbetreiber für ein „Grünes Gasnetz 2030“ bestätigen.

Grüner Wasserstoff ist quasi eine andere molekulare Form von erneuerbarem Strom – mit dem Vorteil, dass nicht erst das Stromnetz ausgebaut werden müsse, erläutert Ronnacker. Dabei geht es nicht allein um die Versorgung der deutschen Produktionsstandorte. Ein europäischer oder sogar globaler Wasserstoffmarkt bedeute  langfristig wettbewerbsfähige Preise, auf die sich die Industrie einstellen könne.

Mischformen von Wasserstoff und Erdgas im Verteilnetz

Im Unterschied zu reinen Wasserstoffnetzen wird parallel über die Verwendung von Wasserstoff-Erdgas-Mischungen für den Wärmemarkt diskutiert.  Im Gasverteilnetz, das die Heizungsanlagen von Haushaltskunden versorgt, ist nach dem Regelwerk des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) heute schon einen Wasserstoffanteil von bis zu 10 Prozent erlaubt. Viele Heizungsanlagen funktionieren sogar mit darüber hinausgehenden Wasserstoffanteilen, erläutert Ronnacker.

Ein solche  Wasserstoff-Beimischung für die an das Fernleitungsnetz angeschlossenen sei für Industriekunden hingegen nicht praktikabel. Industrieprozesse benötigten reine Gase, also entweder reinen Wasserstoff oder reines Erdgas, stellt Ronnacker klar. Zudem gebe es im europäischen Verbundsystem für den Gastransport einheitliche Standards für die Reinheit von Erdgas: Deutschland ist ein Transitland für die Lieferung von russischem Gas, das z.B. nach Frankreich, Italien und in die Niederlande fließt. Alle diese Abnehmer vertrauten auf eine gleichbleibende Qualität und eine hohe Versorgungssicherheit. Daher müsse das Fernleitung-Wasserstoffnetz technisch getrennt vom Erdgasnetz betrieben werden.

Machbarkeitsstudie für Modellprojekt  abgeschlossen

OGE hofft, dass sich die Rechtslage bald klärt. Im Projekt GET H2 Nukleus arbeitet das Unternehmen derzeit mit Partnern am Aufbau eines Teilbereiches des Wasserstoffnetzes von Lingen bis ins nördliche Ruhrgebiet. Bestehende Gasleitungen von OGE und Nowega werden auf den Transport von Wasserstoff umgestellt. Das Unternehmen RWE Generation beabsichtigt, über einen Elektrolyseur grünen Wasserstoff zu erzeugen. Kunden sind Evonik im Chemiepark Marl und die BP-Raffinerien in Lingen und Gelsenkirchen-Scholven. Der Zeitplan sieht vor, dass bereits 2023 der erste Wasserstoff durch die Leitungen fließen könnte. Eine Machbarkeitsstudie ist abgeschlossen und erste Ergebnisse der TÜV-Untersuchungen liegen vor.

Das komplette Interview mit Ulrich Ronnacker, Leiter Recht und Regulierung, Open Grid Europe, ist in der Zeitschrift EW – Magazin für die Energiewirtschaft 1/2021 erschienen.

www.oge.net