Weniger Netzausbau durch Spitzenkappung

Wieviel Netzinfrastruktur ist genug? Und wieviel ist zu viel und damit zu teuer? Netzbetreiber müssen immer wieder eine Balance finden zwischen der Drosselung von Windrädern bei extrem viel Wind und dem zusätzlichen Ausbau der Transportkapazitäten. In der ostfriesischen Gemeinde Krummhörn erprobt der  Verteilnetzbetreiber EWE NETZ die Kappung von Erzeugungsspitzen, wie sie im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vorgesehen ist. Im Interview mit der Zeitschrift EW – Magazin für die Energiewirtschaft erläutert Jan Adrian Schönrock aus dem Bereich Netzentwicklung Strom bei EWE NETZ erste Erfahrungen.

Der Standort des Unternehmens ist bekannt für den  hohen Anteil an Windenergie. Schönrock berichtet von einen Anteil von 234 Prozent erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung, wovon ein großer Anteil durch Windanlagen geliefert werde. An den Transformator in Manslagt im Landkreis Aurich, wo wir der flexiblen Umgang mit Erzeugungsspitzen erprobt wird, sind 140 Erzeugungsanlagen angeschlossen.

Da die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit der Wettersituation stark schwankt ist die richtige Dimensionierung des Netzes nicht einfach. Ein Ausbau des Verteilnetzes bis zur letzten Kilowattstunde sei nicht sinnvoll, so Schönrock.  Wenn nicht jeder Sturm mitgenommen werden müsse, an wenigen Tagen des Jahres berücksichtigt werden müsse, könnten insgesamt mehr Anlagen angeschlossen werden.

Das Umspannwerk in Manslagt ist ein Teil von enera das wiederum zum vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgelegten Förderprogramm Schaufenster Intelligente Energie – SINTEG gehört. Ein Vorläuferprojekt zur Kappung von Erzeugungsspitzen hatte EWE NETZ zusammen mit dem Unternehmen BTC bereits in den Jahren 2013 und 2014 als Pilotprojekt in Wittmund und Jever durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Erprobung sind in die gesetzlichen Regelung des EnWG von 2016 und in den Netzentwicklungsplan der Bundesnetzagentur eingeflossen.

Das EnWG erlaubt Betreibern bei drohender Überlastung ihrer Netze jährlich bis zu drei Prozent der Stromerzeugung aus Sonne und Wind zu reduzieren. Dies betrifft vor allem Stürme und Starkwindphasen, also kurzfristige Ausnahmezustände. Eine Steuerung der Windparks ist bei den modernen Anlagen in Stufen von etwa 10 Prozent möglich. Die meisten älteren Modelle lassen sich entsprechend nachrüsten. Die benötigten Netzregler für die Umspannstation sind hingegen eine neue Technologie.

Mit der Möglichkeit der Spitzenkappung kann EWE  rund 50 Prozent mehr erneuerbare Energien ohne teuren Kabelausbau an das Netz anschließen. Im Umspannwerk Manslagt wurde durch die Spitzenkappung einen ganzen Transformator eingespart.

Dem Anlagenbetreiber entstehen durch die Spitzenkappung keine Nachteile. Zum einen geht es um geringe Ausfallzeiten. Zu mindestens 97 Prozent wird die Stromproduktion ins Netz eingespeist, berichtet Schönrock. Zum anderen hat der Betreiber Anspruch auf eine Entschädigung für den Erlösausfall, wenn eine Anlage durch den Netzbetreiber heruntergeregelt wird. Dies gilt für die Spitzenkappung genauso wie für jeden anderen Eingriff aus Gründen der Netzstabilität.

Das vollständige Interview ist in ew 5/2018 erschienen.

Weiterführende Links zum Thema:

www.ewe-netz.de

www.energie-vernetzen.de

Bildquelle: EWE Netz